7a/I/2020 Echter Spurwechsel statt Beschäftigungsduldung

AntragstellerInnen:

Jusos Potsdam

Der Landesdelegiertenkonferenz & Bundeskongress möge beschließen:

Echter Spurwechsel statt Beschäftigungsduldung

Im letzten Jahr hat sich die SPD für die Einführung eines Spurwechsels, d.h. der Möglichkeit, dass Asylbewerber, die bereits gut in den Arbeitsmarkt integriert sind, im Falle eines abgelehnten Asylantrags trotzdem aufgrund ihrer Beschäftigung einen Aufenthaltstitel bekommen können, eingesetzt.

Statt dieses Spurwechsels hat die SPD dann aber mit der CDU im gleichen Migrationspaket, in dem auch das sog. Hau-Ab-Gesetz beschlossen worden ist, das „Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung“ beschlossen. Die Erteilungsvoraussetzungen, die für die darin neu geschaffene Beschäftigungsduldung von CDU und CSU in den Gesetzentwurf hineinverhandelt worden sind, machen den ursprünglichen Wunsch, einen Spurwechsel zu ermöglichen, um zu verhindern, dass gut integrierte und arbeitende Menschen abgeschoben werden, leider zur Farce.

Denn der neugeschaffene § 60d AufhG, der die Beschäftigungsduldung nun regelt, sieht u.a. in Abs. 2 vor, dass eine Beschäftigungsduldung nur erhält, wer zuvor bereits 12 Monate in Besitz einer „normalen“ Duldung gewesen ist.

Der folgende Anwendungshinweis des Bundesinnenministeriums zum Gesetz bringt ganz klar zum Ausdruck, dass die Einführung dieser Hürde kein Unfall war, sondern genau mit der Intention erfolgte, einen echten Spurwechsel zu verhindern und Abschiebungen vor der Integration in den Arbeitsmarkt den Vorzug einzuräumen: „60d.1.2 Durch die Anforderung des vorangegangenen Besitzes einer Duldung seit mindestens zwölf Monaten in Absatz 1 Nummer 2 wird die Erteilung der Beschäftigungsduldung im direkten Anschluss an einen ablehnenden Asylbescheid ausgeschlossen. Der Zeitraum gibt den Ausländerbehörden die Möglichkeit, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen. [...]“[1]

Abschiebungen sind nicht immer ungerecht oder falsch, doch welchen Sinn macht es, Menschen, die sich hier im Verlauf ihres Asylverfahrens bereits gut integriert haben, in deren Ausbildung Betriebe bereits viel Geld investiert haben und die nun einer geordneten Arbeit nachgehen, abzuschieben, während man gleichzeitig Fachkräfte aus anderen Ländern anwirbt?

Um der Angst der Union, mit einem Spurwechsel, Pull Effekte zu schaffen, erfolgreich begegnen zu können, hätte eine Stichtagsregelung im Gesetz völlig ausgereicht. Dies war u.a. auch vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung im Anhörungsverfahren im Innenausschuss angemerkt worden.[2] Statt einer klaren Stichtagsregelung eine so lange Phase von einem Jahr in rechtlicher Ungewissheit ins Gesetz einzubauen war dagegen unnötig und dient nur unverhältnismäßiger Schikane.

Neben der Voraussetzung, zunächst 12 Monate mit einer „normalen Duldung“ gelebt haben zu müssen, bevor man eine Beschäftigungsduldung erhalten kann, ist auch die Hürde, wonach man 18 Monate einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von i.d.R. 35 Wochenstunden nachgegangen sein muss, ausgesprochen hoch. Wie auch vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung angemerkt, hätte es völlig ausgereicht, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, mit der der Lebensunterhalt allein bestritten wird, zu verlangen und auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat bereits im Gesetzesverfahren kritisiert, dass die Dauer von 18 Monaten zu lang und nicht praxisgerecht sei.[3]

 

Dass sich die SPD auf die Beschäftigungsduldung, die in der so beschlossenen Form praktisch niemandem nutzt, da kaum jemand die Anforderungen erfüllt und die deshalb eine unbrauchbare gesetzliche Regelung darstellt, eingelassen hat, ist umso bitterer, als dass man die Einführung der Beschäftigungsduldung als eigenen Erfolg dargestellt hat und als „Dank“ an CDU und CSU im Gegenzug auch noch Seehofers Geordnete Rückkehr Gesetz mit abgesegnet hat.

Von diesem, von vielen Expert*innen als in Teilen verfassungswidrig angesehenen Gesetz, haben sich die Jusos auf dem letzten Buko durch Antrag M2 bereits eindeutig distanziert.[4]

 

Wir fordern nun, dass die SPD auch die Mängel der Beschäftigungsduldung anerkennt und sich für deren möglichst schnelle Abschaffung zugunsten eines echten Spurwechsels einsetzt.

 

Ziel muss es sein, dass gut integrierte Geflüchtete mit Beschäftigungsverhältnis einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

 

Dafür ist die Form einer Duldung überhaupt das falsche rechtliche Institut. Auch von Professor Daniel Thym, der grundsätzlich keinesfalls in Verdacht steht, CDU gemachtes Migrationsrecht stark zu kritisieren, war im Gesetzgebungsverfahren kritisiert worden, dass die Beschäftigungsduldung, als aufenthaltsrechtlicher Zwitterlösung, die zwar ein bisschen mehr Sicherheit bietet, als eine normale Duldung, aber trotzdem keinen gesicherten Aufenthaltsstatus darstellt, europarechtswidrig sein könnte und dass es deshalb besser wäre, die Beschäftigungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis umzuwandeln.[5]

 

Wir fordern eine klare Regelung, dass Menschen, die nach erfolglosem Ende ihres Asylverfahrens bereits so gut in Deutschland integriert sind, dass sie eine Arbeit haben, von der sie sich alleine finanzieren können, direkt eine Aufenthaltserlaubnis zur Fortführung ihrer Beschäftigung beantragen können und nicht in eine lange Zeit der Kettenduldungen fallen, in der sie jederzeit abgeschoben werden können.

 

Tatsächlich kommt es noch immer vor, dass eher solche Geduldeten, die einer geregelten Arbeit nachgehen, abgeschoben werden, als solche, die untergetaucht sind, weil man Erstere schlicht einfacher antrifft.

Die Unsicherheit einer Duldung erschwert die tiefergehende Integration und bedeutet nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Betriebe, die sie beschäftigen, eine unnötige Unsicherheit. Die Nutzlosigkeit der Beschäftigungsduldung ist deshalb insbesondere auch von Arbeitsgebern kritisiert worden.[6]

 

Wir fordern, dass Betriebe, die oft vergeblich Fachkräfte suchen und die Asylbewerber einstellen und in deren Zukunft investieren, die Sicherheit haben müssen, dass diese Investition im Falle eines abgelehnten Asylbescheids nicht umsonst war, sondern dass sie davon ausgehen können, diese Menschen auch im Falle von ablehnenden Asylbescheiden, dauerhaft weiterbeschäftigen können.

 

Die Haltung, dass man Menschen, die bereits gut integriert hier sind und die gerne hier bleiben möchten, zurück in Krisenregionen wie Afghanistan abschiebt, während man gleichzeitig in anderen Staaten mit staatlichen Agenturen und Steuermitteln Leute nach Deutschland abwirbt, die in den dortigen Wirtschaftssystemen Löcher reißen und fehlen werden, zeugt von einer Doppelmoral und ist nicht länger hinzunehmen.

 

Deshalb muss die Beschäftigungsduldung abgeschafft und stattdessen ein passender, niedrigschwelliger Aufenthaltstitel geschaffen werden, der einen echten Spurwechsel vom Asylverfahren in die Arbeitserlaubnis ermöglicht.

[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 S. 22.

[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/645292/9c61ab1b9bbfcfbaee1c874007d6ee96/A-Drs-19-4-287-C-data.pdf S. 5.

[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/645302/1e2416cee673dd60f937ae4a5f4c0bf0/A-Drs-19-4-298-data.pdf S. 2.

[4] https://www.jusos.de/content/uploads/2019/11/M2-Kein-Rechtsruck-in-der-SPD-Bundestagsfraktion.pdf

[5] https://www.bundestag.de/resource/blob/645296/d1dbb4c966cf2d99585fa4ee376b48dc/A-Drs-19-4-287-E-data.pdf S. 24.

[6] https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-gesetz-mit-falltuer-1.4782718

Beschluss

Annahme